Rheumatoide Arthritis – Wenn der Körper die eigenen Gelenke zerstört
Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Sie äußert sich in einer chronischen Entzündung der Gelenke, die dadurch nach und nach zerstört werden.
Inhaltsverzeichnis
Das Immunsystem richtet sich gegen den eigenen Körper. Die Gelenke entzünden sich, schwellen an und schmerzen. Während zunächst noch wenige Gelenke betroffen sind, greift die Entzündung später auf immer mehr Gelenke über. Die Krankheit zerstört nach und nach Knorpel und Knochen. Die Betroffenen haben starke Schmerzen, ihre Gelenke verformen sich und verlieren die Funktion. Das hat schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der Erkrankten: Ein großer Teil von ihnen muss den Beruf aufgeben, viele haben Schwierigkeiten, alltägliche Aufgaben zu bewältigen.
Rheumatoide Arthritis ist eine schwere Krankheit mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit und das alltägliche Leben. Doch wenn sie rechtzeitig erkannt und eine Therapie eingeleitet wird, stehen die Chancen inzwischen relativ gut, dass man sie in den Griff bekommt, bevor es zu den gefürchteten Knochenzerstörungen kommt. Die wichtigste Regel ist daher: Beim Verdacht auf rheumatoide Arthritis sollten Betroffenen sobald wie möglich zum Arzt gehen.
Rheuma ist nicht gleich rheumatoide Arthritis
Rheuma wird zwar oft als Synonym verwendet, ist aber nicht das gleiche wie rheumatoide Arthritis. Unter dem Begriff „Rheuma“ fasst die Medizin rund 400 verschiedene Krankheiten zusammen, die Skelett und Weichteile betreffen. Zu den degenerativen, verschleißbedingten Erkrankungen zählt beispielweise die Arthrose, bei der einzelne Gelenke abgenutzt sind. Zu den entzündlichen Erkrankungen gehören etwa Morbus Bechterew, Psoriasis-Arthritis und Lupus erythematodes. Auch Gicht und Osteoporose gehen mit rheumatischen Beschwerden am Skelett einher; Fibromyalgie betrifft dagegen die Weichteile.
Typischerweise befällt die rheumatoide Arthritis die kleinen Gelenke von Händen und Füßen.
Die häufigste der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist die rheumatoide Arthritis: eine entzündliche Allgemeinerkrankung, bei der die Gelenke schmerzen und anschwellen. Sie werden nach und nach zerstört und verlieren ihre Beweglichkeit. Die rheumatoide Arthritis kann alle Gelenke befallen, tritt aber typischerweise vor allem in den kleinen Finger- und Fußgelenken auf.
In Deutschland leiden rund 0,5 bis 1% der Bevölkerung an rheumatoider Arthritis (früher auch chronische Polyarthritis genannt). Frauen erkranken aus bisher unbekannten Gründen etwa doppelt bis dreimal so häufig wie Männer. Rheumatoide Arthritis ist entgegen einer häufigen Annahme keine Alte-Leute-Krankheit: Sie kann in jedem Lebensalter auftreten, auch bei Kindern und Jugendlichen. Die meisten Neuerkrankungen gibt es aber bei Frauen im Alter von 55 bis 64 Jahren, bei Männern zwischen 65 und 75 Jahren.
Ursachen: Der Körper bekämpft sich selbst
Rheumatoide Arthritis ist eine Autoimmunerkrankung, das heißt: Der Körper richtet seine Abwehr„waffen“ gegen sich selbst. Bis heute ist noch unbekannt, warum das Immunsystem auf diese Weise verrückt spielt – wahrscheinlich haben mehrere Faktoren wie erbliche Veranlagung, Umwelteinflüsse und Virusinfekte einen Einfluss. Bei dieser Erkrankung bildet das fehlgeleitete Immunsystem vermehrt Botenstoffe (Zytokine), die sich an der Gelenkinnenhaut an Rezeptoren anbinden und die Zellen zum unkontrollierten Wachstum anregen. Das Gewebe um das Gelenk herum schwillt an und entzündet sich. Im weiteren Verlauf wächst die Gelenkinnenhaut in das Gelenk hinein, das Knorpelgewebe und auch der darunter liegende Knochen werden angegriffen.
Gesundes Gelenk: Von innen ist die Gelenkkapsel mit der Gelenkschmiere produzierenden Gelenkinnenhaut (1) ausgekleidet. Eine schützende Knorpelschicht (2) bedeckt den Knochen (3).
Frühe Arthritis: Die Gelenkhaut stülpt sich in den Spalt zwischen den Gelenken. Immunzellen wandern in den Spalt, besiedeln die Gelenkhaut und produzieren Stoffe, die den Knorpel angreifen.
Fortgeschrittene Arthritis: Weitere Immunzellen schütten entzündungsfördernde Botenstoffe aus; daraufhin werden Stoffe freigesetzt, die Knorpel und Knochen zerstören.
Krankheitsverlauf: Die Gelenkzerstörung kann oft aufgehalten werden
Im fortgeschritteren Stadium verformen sich die Gelenke.
Anfangs betrifft die Entzündung typischerweise meist nur Finger- und Fußgelenke, doch im weiteren Verlauf greift die Erkrankung nach und nach auf weitere, auch große Gelenke wie Knie- und Schultergelenk über. Die Zerstörung der befallenen Gelenke schreitet langsam fort, bis diese sich verformen und ihre Funktion einbüßen. Die Bewegungsfreiheit wird immer stärker eingeschränkt; im Endstadium können die Gelenke vollständig zerstört sein. Die Patienten verlieren ihre Selbstständigkeit, sind auf Hilfe angewiesen und können in schweren Fällen ihren Beruf nicht mehr ausüben.
So weit muss es aber nicht kommen: Bei einer frühzeitigen Therapie kann der Verlauf der Krankheit verlangsamt und in vielen Fällen sogar gestoppt werden. Zwar ist eine Heilung momentan nicht möglich, aber neuartige Medikamente machen Hoffnung: Sie können die Entzündungsaktivität so gut kontrollieren, dass die Zerstörung der Gelenke nicht weiter fortschreitet. Der Patient befindet sich dann in Remission, wie die Mediziner sagen.
Es ist nicht möglich, genau vorherzusagen, wie schwer der Verlauf sein wird und wie weitgehend sich dadurch das Leben der einzelnen Patienten verändert. Bei manchen verläuft die Krankheit mild und macht kaum Probleme. Bei anderen versteifen die Gelenke und verursachen starke Schmerzen. Eine geringe Zahl muss auch mit einem schweren Verlauf und Invalidität rechnen. Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf sind ein höheres Alter (über 60 Jahre) bei Beginn der Erkrankung, weibliches Geschlecht, Rauchen und frühzeitig ein positiver Rheumafaktor im Blut (siehe Diagnose)
Wichtig ist in jedem Fall ein möglichst früher Besuch beim Rheumatologen. Studien zeigen, dass Betroffene, die innerhalb der ersten drei Monate eine Therapie beginnen, eine höhere Chance haben, langfristig in Remission zu kommen.
Durch die chronischen Entzündungen können in seltenen Fällen im späteren Verlauf der Krankheit auch andere Organe wie Herz, Augen oder Lunge in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine andere häufige Begleiterkrankung der rheumatoiden Arthritis ist die Osteoporose. Zudem haben die Patienten ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Parodontitis.
Video vom: 15.11.2008
Text aktualisiert am: 16.04.2013
Quellen:
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Patienteninformation: Rheumatoide Arthritis. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 060/002p (Stand: Juli 2004)
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie: Management der frühen rheumatoiden Arthritis. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 060/002 (Stand: Januar 2007)
Animationen: teleDesign, München (1)
Bilder: Shutterstock (3), Dr. M. Grünke, München (1)
Glossar
Autoimmunerkrankung
Überbegriff für Krankheiten, die durch eine Überreaktion des Immunsystems hervorgerufen werden. Die Immunreaktion richtet sich dabei gegen körpereigenes Gewebe, das irrtümlicherweise als zu bekämpfender Fremdkörper erkannt wird. Die Folgen sind schwere Entzündungen, die die betroffenen Organe schädigen.
Degeneration
Veränderungen eines Körpers, eines Zellverbandes oder einer Zelle, die deren Funktion oder Aussehen betreffen und im Vergleich zum Normalzustand eine Verschlechterung darstellen
Herzinfarkt, akuter (Myokardinfarkt, akuter)
Akute und lebensbedrohliche Erkrankung des Herzens, bei der wegen einer Durchblutungsstörung Teile des Herzmuskels absterben
Rezeptor
Bindungsstelle auf oder in Zellen für Signalstoffe (zum Beispiel Wachstumsfaktoren, Überträgerstoffe, Hormone), die in der Zelle bestimmte Prozesse anregen
Rheumafaktor
Der Rheumafaktor ist ein Wert, der sich bei 70 bis 80 Prozent der Patienten mit rheumatoider Arthritis im Blut nachweisen lässt. Es handelt sich um Antikörper und körpereigene Eiweißstoffe, die sich gegen körpereigenes Gewebe (daher heißt er auch Autoantikörper) richten. Wer den Rheumafaktor im Blut hat, muss nicht zwangsweise auch an rheumatoider Arthritis erkranken, hat aber ein höheres Risiko für die Krankheit. Wer keinen Rheumafaktor hat, kann trotzdem erkranken, auch wenn es unwahrscheinlicher ist. Der Nachweis im Blut oder in der Gelenkflüssigkeit ist ein Teil der Diagnosestellung bei Patienten.
Osteoporose
Erkrankung, die den Knochen brüchiger werden lässt, auch Knochenschwund genannt
Parodontitis (auch: Parodontose)
Durch Bakterien hervorgerufene Erkrankung des Zahnhalteapparates
Zytokine
Eiweißstoffe, die hauptsächlich von Zellen des körpereigenen Immunsystems gebildet werden und der Regelung einer Immunantwort dienen