Schilddrüsenerkrankungen: gute Therapiechancen
Genauso vielfältig wie die Aufgaben der Schilddrüse sind ihre möglichen Erkrankungen. Aber den Medizinern steht – über Tabletten und Operationen bis hin zu radioaktivem Jod – ein ganzes Arsenal an Therapien zur Verfügung. Wird die Krankheit rechtzeitig behandelt, sind die Aussichten auf Heilung meist gut.
Inhaltsverzeichnis
Jodmangelkropf (Jodmangelstruma)
Medikamentöse Therapie
Die Ursache dieser Erkrankung ist Jodmangel. Bei der Jodmangelstruma liegt meistens eine ausgeglichene Schilddrüsenhormonlage (Euthyreose) vor. Daher ist die einfachste und wohl wirkungsvollste Therapie bei der Jodmangelstruma die Gabe von Jodid in Tablettenform. Unterstützt wird die Einnahme durch eine jodreiche Ernährung. Häufig bewirken die Tabletten, dass sich die Schilddrüse zurückbildet. Auch werden häufig Kombinationen von Jodid und dem Schilddrüsenhormon Levothyroxin verabreicht, weil diese einen besseren Rückbildungseffekt aufweisen.
Sind allerdings fehlerhafte, autonome Gewebeanteile (Schilddrüsenautonomie) in der Schilddrüse vorhanden, wird der behandelnde Mediziner keine Jodidtabletten verschreiben. Denn diese könnten eine Schilddrüsenüberfunktion oder gar eine thyreotoxische Krise auslösen. Der Grund: Die fehlerhaften Gewebeanteile werden unter Umständen durch das Jod dazu angeregt, eine viel zu große Menge an Schilddrüsenhormonen zu produzieren.
Operation einer Jodmangelstruma
Befindet sich der Jodmangelkropf bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, hilft häufig die Gabe von Medikamenten alleine nicht mehr. Eine Operation wird insbesondere dann notwendig, wenn der Kropf auf die benachbarten Organe drückt (beispielsweise Luft- oder Speiseröhre) und somit zu Beschwerden führt.
Bei dem Eingriff werden einzelne Teile der vergrößerten Schilddrüse, seltener fast die komplette Schilddrüse bis auf wenige Reste entfernt. Dafür setzt der Chirurg einen kleinen Hautschnitt am Hals. Der Arzt legt dann die Schilddrüse frei und entnimmt das überschüssige, erkrankte Gewebe.
Da nach der Operation die Gefahr einer erneuten Kropfbildung besteht, müssen die Patienten weiterhin langfristig Jodidtabletten einnehmen. Wurde eine große Menge Schilddrüsengewebe entfernt, reicht das übrige Gewebe häufig nicht mehr aus, um genügend Hormone zu produzieren. Daher müssen diese häufig lebenslang durch Tabletten ergänzt werden.
Sollte eine Operation nicht möglich sein oder vom Patienten abgelehnt werden, so kommt auch gelegentlich die Radiojodtherapie zum Einsatz. Liegt eine Schilddrüsenautonomie vor, kann sie sogar die bessere Alternative zur Operation sein.
Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
Bei einer Unterfunktion der Schilddrüse werden bestimmte Hormone nicht ausreichend produziert. Die Therapie der Schilddrüsenunterfunktion zielt daher darauf ab, die fehlenden Hormone in Tablettenform zu ersetzen. Zur Behandlung wird meist das synthetisch hergestellte Schilddrüsenhormon Levothyroxin eingesetzt. Der Betroffene muss die Tablette etwa eine halbe Stunde vor dem Frühstück zu sich nehmen. Denn auf leeren Magen eingenommen, nimmt der Darm die Wirkstoffe besser auf. Wie hoch das Hormon dosiert wird, hängt vom individuellen Bedarf des Patienten ab. Normalerweise beginnt der Arzt mit einer niedrigen Dosis und erhöht sie stufenweise, bis die gewünschte Menge erreicht ist. Ist die ausreichende Menge an Thyroxin gefunden, muss der Patient nur einmal jährlich eine Blutabnahme zur Überprüfung seines Stoffwechsels durchführen lassen.
Das zweite bei der Unterfunktion fehlende Schilddrüsenhormon, das Triiodthyronin T3, stellt der Körper meist in ausreichender Menge aus dem eingenommenen Thyroxin T4 her. Nur in Ausnahmefällen muss auch das Triiodthyroxin T3 als Kombinationspräparat mit Thyroxin T4 eingenommen werden. Da die Medikamente die Schilddrüsenunterfunktion nicht heilen können, müssen die Betroffenen die Tabletten ihr Leben lang einnehmen.
Die angeborene Unterfunktion der Schilddrüse bei Kindern behandelt der Arzt ebenso wie bei erwachsenen Patienten. Wird frühzeitig mit der Therapie begonnen, entwickelt sich das Kind völlig normal. Bereits vorhandene Schädigungen können mittels dieser Therapie jedoch in der Regel nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Ob das Medikament ausreichend dosiert ist, stellt der Arzt anhand verschiedener Kriterien fest. Wichtig ist hierbei zum einen das Wohlbefinden des Patienten. Außerdem verrät ein Bluttest, ob sich eine ausreichende Menge Schilddrüsenhormone im Körper des Patienten befinden.
Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
Die Therapie der Hyperthyreose hängt von mehreren Faktoren ab. Welche Therapie jeweils gewählt wird, ist von der Ursache und der Schwere der Erkrankung sowie vom Allgemeinzustand und dem Lebensalter des Patienten abhängig. Es stehen dem Arzt im Wesentlichen drei Möglichkeiten zur Verfügung: die medikamentöse Behandlung, die Operation oder auch die Radiojodtherapie.
Medikamentöse Behandlung
Bei Überfunktion liegen die Schilddrüsenhormone in zu hoher Konzentration im Blut des Erkrankten vor. Daher behandelt der Arzt eine Überfunktion zunächst mit sogenannten Thyreostatika, den Schilddrüsenblockern. Mittels dieser wird die Produktion von Schilddrüsenhormonen medikamentös gehemmt oder die Freisetzung der Hormone im Körper verhindert. Während der Behandlung müssen die Schilddrüsenwerte des Patienten regelmäßig kontrolliert werden. Dem Mediziner stehen zur Therapie mit Thyreostatika verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung:
- Natrium-Perchlorat verhindert die Aufnahme von Jodid in die Schilddrüse durch Blockierung des Jodidtransporters. Somit hemmt der Wirkstoff die Herstellung von Schilddrüsenhormonen. Allerdings kann Perchlorat häufig wegen der möglichen Nebenwirkungen nicht dauerhaft eingenommen werden.
- Die Wirkstoffe Thiamazol, Carbimazol und Propylthiouracil verhindern, dass Jodid in das Grundgerüst der Schilddrüsenhormone eingebaut wird. Bei Einnahme dieser Wirkstoffe kann die Schilddrüse somit keine funktionstüchtigen Hormone mehr produzieren.
- In speziellen Fällen kann auch hochdosiertes Jodid die Hormonproduktion hemmen.
- Die ergänzende Gabe von Betablockern hat sich insbesondere bei Patienten mit Morbus Basedow bewährt. Betablocker dämpfen die durch die Schilddrüsenhormone ausgelöste Übererregbarkeit beispielsweise des Herzens, wodurch sie als Blutdrucksenker fungieren und die Herztätigkeit normalisieren.
Die Wahl der jeweiligen Medikamentengruppe entscheidet der Arzt je nach Fall. Allerdings wirken alle Medikamente ausschließlich gegen die Symptome der Schilddrüsenüberfunktion. Die Wirkung tritt häufig erst nach mehreren Wochen ein, da zwar die Neubildung von Schilddrüsenhormonen gehemmt wird, die bereits gebildeten Hormone jedoch zunächst erst einmal verbraucht werden müssen.
Die eigentliche Ursache einer Hyperthyreose wird durch die Medikamente nicht beseitigt. Teilweise zeigt der Patient nach Einnahme der Medikamente auch starke Nebenwirkungen. Daher helfen die Medikamente zwar kurzfristig, den Hormonhaushalt im Blut zu normalisieren. Meist ist jedoch eine weiterführende Behandlung notwendig, um die eigentliche Ursache der Erkrankung zu bekämpfen.
Operation bei Schilddrüsenüberfunktion
Manchmal ist eine Operation die einzige Möglichkeit, Betroffenen zu helfen. Bei Morbus Basedow wird beispielsweise zu einer Operation geraten, wenn eine Behandlung über ein bis eineinhalb Jahre nicht den erwünschten Erfolg gebracht hat.
Auch wenn die Schilddrüse so groß geworden ist, dass der Patient bereits unter Schluck- und Atembeschwerden leidet, wird eine operative Entfernung von Schilddrüsengewebe nahegelegt.
Vor der Operation wird meist versucht, mithilfe von Medikamenten eine euthyreote Stoffwechsellage zu erreichen. Operationen an der Schilddrüse werden unter Vollnarkose durchgeführt. Der Eingriff birgt nur ein geringes Risiko. Bei der Operation können benachbarte Strukturen wie beispielsweise der Stimmbandnerv, die Luft- oder Speiseröhre in Mitleidenschaft gezogen werden. Zu solchen Verletzungen kommt es in der Regel aber nicht. Eine Schilddrüsenoperation gehört heute zu den Standardeingriffen in der Medizin.
Als Folge dieser Operation kann eine Schilddrüsenunterfunktion auftreten. Diese muss dann dauerhaft mit Levothyroxin behandelt werden.
Auch bei der Schilddrüse wird immer häufiger die minimal invasive Operationstechnik durch das „Schlüsselloch“ angewendet: Es wird nur ein sehr kleiner Schnitt gesetzt, durch den endoskopische Instrumente, die mit einer Kamera ausgerüstet sind, eingeführt werden. Die Operation wird dann anhand der aufgenommenen Bilder über einen Monitor durchgeführt.
Behandlung mit der Radiojodtherapie
Die Therapie kommt zum Einsatz, wenn die Schilddrüse zu viele Hormone produziert. Also unter anderem bei einer Schilddrüsenautonomie, bei Morbus Basedow und generell bei einem Kropf, der mit einer Überfunktion verbunden ist. Auch bei jodspeichernden Schilddrüsenkarzinomen kann beispielsweise nach einer Operation unterstützend mit einer Radiojodtherapie behandelt werden.
Die Radiojodtherapie macht sich zunutze, dass elementares Jod beim Menschen ausschließlich in der Schilddrüse gespeichert wird.
Schilddrüsenkrebs
Wurde an der Schilddrüse ein bösartiges Karzinom diagnostiziert, ist ein operativer Eingriff meistens unumgänglich. In der Regel wird dann die gesamte Schilddrüse entfernt. Zusätzlich werden nahe liegende Lymphknoten mit herausgenommen. Sie werden anschließend daraufhin untersucht, ob sich der Krebs bereits ins Lymphsystem ausgebreitet hat.
In den meisten Fällen muss nach der Operation zusätzlich eine Radiojodtherapie erfolgen, um letzte Zellen der Schilddrüse, die im Körper verblieben sind, zu zerstören.
Bei einer kompletten Entfernung der Schilddrüse können auch die Nebenschilddrüsen in Mitleidenschaft gezogen werden. Das führt zu einer Störung des Kalziumstoffwechsels, der dann medikamentös behandelt werden muss.
Nach der Entfernung der gesamten Schilddrüse hat der Körper seine Fähigkeit verloren, T3 und T4 herzustellen. Dieser Hormonmangel muss dann ein Leben lang durch Medikamente ausgeglichen werden.
Video vom: 15.01.2009
Text aktualisiert am 22.07.2014
Bilder: Shutterstock (5)
Glossar
Betablocker
Medikamente, die Stresshormone hemmen und beruhigend wirken; die Pulsfrequenz und der Blutdruck sinken, das Herz verbraucht weniger Sauerstoff; zum Beispiel: Bisoprolol, Atenolol, Metaprolol, Celiprolol, Propranolol,Talinolol
Beta-Strahlung (ß-Strahlung)
Ionisierende Strahlung
Euthyreose ( euthyreote Stoffwechsellage)
Normale Stoffwechsellage mit funktionstüchtigem Schilddrüsenhormonhaushalt
Follikel
Lat. Sack, Hülse
Schilddrüsenfollikel: Hohlraum, der von schilddrüsenhormonspeichernden Eiweißen angefüllt ist und von hormonbildenden Schilddrüsenzellen umrahmt wird.
Levothyroxin, Thyroxin, T4
Schilddrüsenhormon, das 4 Jodatome enthält. Kann synthetisch hergestellt werden.
Morbus Basedow
Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, die mit Herzrasen, Kropfbildung und hervortretenden Augäpfeln vergesellschaftet ist. Die Schilddrüse produziert hierbei vermehrt Schilddrüsenhormone.
Schilddrüsenautonomie
Das Schilddrüsengewebe unterliegt nicht mehr der zentralen Regulation, was zu nicht bedarfsgerechter Produktion von Schilddrüsenhormonen führt. In der Regel liegt dann eine Überfunktion vor. Ursache ist oft ein Jodmangel
Schilddrüsenhormone
In den Schilddrüsenzellen ( Thyreozyten) gebildeten Hormone:
Trijodthyronin T3
Thyroxin T4
Beide spielen eine wichtige Rolle für den Organismus, besonders beim Energiehaushalt.
Thyreostatikum
Medikament, das bei Schilddrüsenüberfunktion eingesetzt wird, da es die Schilddrüsenhormonproduktion hemmt.
Thyreotoxische Krise (Thyreotoxikose)
Lebengefährliches Krankheitsbild, das unbedingt notfallmedizinisch behandelt werden muss. Durch überhohe Konzentrationen von Schilddrüsenhormonen besteht die Gefahr unter anderem des Herzversagens.